Fünf Fragen an Dmytro Isachenko, Gründer und Geschäftsführer von Interenergo, Ukraine
Schwaz, 07.02.2024
Gasmotoren von MWM sind bereits seit mehr als 20 Jahren in der Ukraine im Einsatz. Auf der „ReBuild Ukraine“-Messe, die im November 2023 in Warschau stattfand, konnten wir mit Dmytro Isachenko, dem Geschäftsführer des MWM Dienstleisters Interenergo, der seit 2005 Energieprojekte in der Ukraine umsetzt, über die aktuellen Chancen und Schwierigkeiten des ukrainischen Energiemarktes sprechen.
Frage 1: In vielen Ländern sind die Energiepreise in den letzten zwei Jahren erheblich gestiegen. Wie haben sich die Energiepreise für Strom, Wärme und Erdgas in der Ukraine entwickelt?
D. I.: Die Energiepreise in der Ukraine werden von mehreren Faktoren beeinflusst. Der erste Faktor ist der europäische Gasmarkt, an dem sich die Preise in der Ukraine orientieren, wenn auch mit einer gewissen Verzögerung. Gleichzeitig produziert die Ukraine selbst unter den gegenwärtigen Umständen etwa 18 Mrd. m3 Gas – genug, um fast den gesamten ukrainischen Privatsektor sowie die Wohnungs- und Kommunalwirtschaft zu versorgen, die Gas zu deutlich unter den Marktpreisen liegenden Vorzugspreisen beziehen. Die Gaspreise für andere Verbraucher auf dem Markt liegen nahe an den europäischen Preisen. Aktuell liegen die Gaspreise zwischen 450 und 550 € pro 1.000 m3.
Außerdem profitieren Haushalte von Vorzugspreisen für Wärmeenergie, die wiederum zu einem Vorzugspreis aus Erdgas erzeugt wird. Einerseits erschwert dieses Ungleichgewicht die Möglichkeit für Privatunternehmen, sich an der Erzeugung von Wärmeenergie für Haushalte zu beteiligen. Andererseits hat die ukrainische Bevölkerung nicht das Geld, um die aus Erdgas gewonnene Wärmeenergie zu europäischen (Markt-)Preisen zu bezahlen. Dies ist ein großes Problem für den Wärmeenergiemarkt in der Ukraine, das eine komplexe Lösung erfordert.
Die Strompreise sind in den letzten zwei Jahren erheblich gestiegen. Obwohl der von den Haushalten gezahlte Preis weit unter dem Marktpreis liegt, sind auch sie von einer 1,5- bis 2-fachen Erhöhung betroffen. Heute zahlen Unternehmen durchschnittlich etwa 0,15 €/kWh. Für die Bürger ist der Preis immer noch viel niedriger und wird subventioniert. Der hohe Preis hängt vor allem mit der Zerstörung zahlreicher Wärmekraftwerke, des Wasserkraftwerks Kachowka und anderer Erzeugungskapazitäten zusammen. Auch eine große Anzahl von Hochspannungsschaltanlagen wurde zerstört oder beschädigt. Die Ukraine geht mit einem Mangel an Stromerzeugungskapazitäten in ihren zweiten Winter. Im vergangenen Jahr wurde kein einziges großes Kraftwerk gebaut, und nicht alle Schäden wurden behoben. Das Energiesystem stützt sich hauptsächlich auf Kernkraftwerke sowie auf die verbleibenden Kohlekraftwerke.
Daher wird die Ukraine auch weiterhin mit höheren Strompreisen zu kämpfen haben, da die gesamte Energieinfrastruktur nach Investitionen ringt – sowohl in Reparaturen als auch in mehrere GW neuer Erzeugungskapazität, einschließlich Spitzenkapazität.
Frage 2: Die Ukraine verfügt über große Erdgasvorkommen. Ist das Erdgasangebot flächendeckend verfügbar?
D. I.: In den letzten 10 Jahren konnte die Ukraine 50 bis 70 Prozent ihres Gasbedarfs aus eigenen Ressourcen decken. Der Rest des Bedarfs wurde durch Importe gedeckt. Derzeit sind wir in der Lage, fast 80 bis 90 Prozent unseres Gasbedarfs zu decken. Außerdem verfügt die Ukraine über ein großes Potenzial zur Steigerung ihrer Gasproduktion. Dies erfordert jedoch systematische Arbeit, einen transparenteren Gasmarkt und erhebliche Investitionen.
Was die Verteilung von Erdgas anbelangt, so verfügt die Ukraine über eines der umfangreichsten Netze Europas, das den Transport von Gas an fast jeden Punkt des Landes ermöglicht.
Frage 3: Welche Rolle werden dezentrale KWK-Anlagen in der künftigen ukrainischen Energieversorgung spielen, und welches sind die gängigsten Anwendungen?
D. I.: Kraft-Wärme-Kopplung sollte und wird meines Erachtens eine Schlüsselrolle bei der Wiederherstellung des ukrainischen Energiesystems spielen. Erstens wurde die zentrale Wärmeversorgung in allen ukrainischen Städten aufrechterhalten.
Dies eröffnet ein enormes Potenzial für die Einführung von Kraft-Wärme-Kopplung für Wohnungen und kommunale Versorgungsunternehmen. Solche Projekte wurden in der Ukraine bereits durchgeführt und laufen erfolgreich, das wahre Potenzial ist jedoch um ein Vielfaches höher.
Zweitens hat die Ukraine ein großes Potenzial für die Entwicklung der Landwirtschaft und damit für Biogasanlagen. Viele Landwirte haben ihr Interesse an diesem Themenbereich bekundet. Wir haben bereits zahlreiche Angebote zur Kraft-Wärme-Kopplung mit Biogas unterbreitet und sehen in diesem Bereich einen erheblichen Nachholbedarf. Allerdings es zurzeit schwierig, Zugang zu den Stromnetzen zu erlangen und Strom auf dem Markt zu verkaufen. Die Einholung von Genehmigungen ist mit einem hohen bürokratischen Aufwand verbunden, und es müssen verschiedene Kontrollen durchgeführt werden, bevor eine solche Anlage überhaupt in Betrieb genommen werden kann.
Trotz der Schwierigkeiten entwickelt sich die Biogasindustrie in der Ukraine, und wir hoffen, dass sich dieser Trend weiter beschleunigen wird. Der Bau neuer Viehzuchtbetriebe und anderer Viehzuchtanlagen wird ebenfalls zum Potenzial für die Entwicklung des Biogasmarktes beitragen.
Drittens benötigt das ukrainische Energiesystem dringend eine Spitzenerzeugungskapazität. Dieses Problem besteht schon seit einiger Zeit und ist inzwischen noch akuter geworden. Solche Kraftwerke werden in der Regel mit leistungsstarken Gaskolbenkraftwerken oder Gasturbinen realisiert. Beide Technologien werden in der Ukraine zum Einsatz kommen.
Der letzte potenzielle Handlungsbereich ist die private Fertigungsindustrie. Trotz der aktuellen Situation und des schweren Rückschlags, den die Wirtschaft des Landes erlitten hat, arbeiten viele Fabriken weiter. Bei den heutigen Erdgas- und Strompreisen könnten sich KWK-Anlagen innerhalb von zweieinhalb bis fünf Jahren amortisieren. Viele Unternehmen wären bereit, solche Projekte in Angriff zu nehmen. Leider werden sie jedoch durch Faktoren wie die anhaltende Unsicherheit und den Mangel an Ressourcen und kostengünstigen Krediten ausgebremst. Dennoch sehen wir aufgrund unserer Arbeit in den letzten zwei Jahren ein großes Potenzial in dieser Richtung und hoffen, dass Investoren in die Ukraine kommen und neue Produktionsanlagen gebaut werden, die möglicherweise durch Blockheizkraftwerke versorgt werden.
Frage 4: Was sind die größten Schwierigkeiten, mit denen Sie derzeit bei der Einführung von KWK-Projekten in der Ukraine konfrontiert sind, und was kann getan werden, um die Situation zu verbessern?
D. I.: Die größten Schwierigkeiten hängen damit zusammen, dass in der Ukraine kein Geld vorhanden ist.
Heute gibt es in der Ukraine keine Kredite für solche Projekte, weder von lokalen noch von internationalen Banken. Die Ukraine braucht eine transparente, langfristige und gezielte Darlehensquelle, die den Kunden in der Ukraine für solche Projekte zu akzeptablen Zinssätzen zur Verfügung steht. Die ukrainischen Gold- und Devisenreserven belaufen sich derzeit auf rund 40 Mrd. US$. Mit der Bereitstellung von 1 Milliarde US$ wäre es möglich, innerhalb von zwei bis drei Jahren 1 bis 1,2 GW an neuer Stromerzeugungskapazität auf der Grundlage von Kraft-Wärme-Kopplungstechnologie zu bauen.
Der Markt würde ein gezieltes Darlehensprogramm begrüßen, bei dem die Kunden durch Vorlage staatlich genehmigter Projektunterlagen ein Vorzugsdarlehen beantragen könnten. Dies würde auch die Kreditrisiken erheblich verringern. Die Banker könnten ihre Kreditentscheidung auf der Grundlage einer Bewertung der vorgeschlagenen Konstruktionslösungen und der geschätzten Kosten treffen. Die wichtigsten Stromerzeugungsanlagen könnten als Sicherheiten für solche Darlehen dienen. Ein solcher Mechanismus könnte einen ganzen Markt im Wert von Hunderten von Millionen Euro in Gang setzen.
Frage 5: Was war das herausragendste, anspruchsvollste oder wichtigste Projekt, das Sie bisher durchgeführt haben, und warum?
D.I.: Nun, die Erziehung meiner Kinder war mein herausragendstes und wichtigstes Projekt. Es war auch mein längstes und anspruchvollstes Projekt 🙂
Was unsere Arbeit anbelangt, so betrachten mein Team und ich jedes Projekt, das wir durchführen, als äußerst wichtig. In den 18 Jahren, die wir in dieser Branche tätig sind, haben wir bereits mehr als 60 Projekte dieser Art abgeschlossen. Und wir sind stolz auf sie alle, ungeachtet der Schwierigkeiten, die wir bei ihrer Umsetzung hatten.
Über Interenergo:
Kerngeschäft: Bau schlüsselfertiger Blockheizkraftwerke und industrieller Energieanlagen
Tätig in: Ukraine, Bulgarien
Gründung: 2005
Standort: Charkow, Kiew, Ukraine
Mitarbeiter: 75
Über Dmytro Isachenko:
Position: Geschäftsführer
Alter: 46
Laufbahn: Gründer und Geschäftsführer von Interenergo seit 17 Jahren
Hobbys: Tennis, Musik, Reisen
Weitere Informationen:
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